Samstag, 10. März 2012

Arbeitsfähig = geheilt?

Seit dem Jahr 2007 gibt es in Wien ein Projekt von klinischen Psychologinnen, das zum Ziel hat, „rückzugsgefährdete“ (sozial phobische, gemobbte, vereinsamte) Jugendliche arbeitsfähig! zu machen. Dieses Projekt wird vom Bundessozialamt finanziert. Als Finanzierungsgrundlage wird die Erreichung einer Quote von sechs Personen jährlich verlangt, die sich nach einem Jahr Behandlung am 1. oder 2. Arbeitsmarkt eingegliedert haben. Vorraussetzung für die Teilnahme am Projekt ist eine psychiatrische Diagnose, der sich die Jugendlichen AspirantInnen (Alter: 13-24 Jahre) vor Behandlungsbeginn zu unterziehen haben. Die Übermittlung an die Psychologinnen findet über Schule (LehrerInnen, SchulpsychologInnen), Elternhaus, Jugendamt und auch Jugendzentren, AMS, etc. statt. Personen ohne Arbeitserlaubnis (z.B. traumatisierte AsylwerberInnen) sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Jugendlichen sollen sich an der Beratungsstelle einfinden, gewünscht ist dabei die Übermittlung durch Vertrauenspersonen. An der Projektmitarbeit beteiligt ist außerdem eine Sozialarbeiterin mit der Aufgabe, wenn nötig, schon im Vorfeld einer psychologischen Behandlung, existentielle Probleme zu bearbeiten und somit Operationsfeld für die Arbeit der Psychologinnen vorzubereiten.
Dieses Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für die schon als langfristig stattfindend anzusehende „Ökonomisierung des Sozialen“. Das Ziel der Arbeit der Psychologinnen ist hier nicht mittels psychologisch - klinischer Methodik Hilfe zu einem gelingenden Leben zu geben, sondern die explizite (Wieder)Eingliederung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt. Ist dies gelungen, hat das Projekt „Erfolg“ gehabt, die Jugendlichen gelten in diesem Sinne als „geheilt“. Dies ist aus sozialpolitischer Sicht als problematisch anzusehen, da in diesem Projekt die Ausübung von profitorientierter Erwerbsarbeit als Vorraussetzung für ein „gelingendes Leben“ angesehen und mitgetragen und gleichzeitig die Behandlung psychiatrischer Krankheitsbilder diesem Zweck unterworfen wird. Weiter gedacht heißt dies: Menschen, deren psychiatrisches Problem ein Hindernis zur Ausübung von Erwerbsarbeit darstellt, und nicht im Sinne von einer (wieder) erworbenen Fähigkeit zur Erwerbsarbeit als geheilt entlassen werden, werden erfasst, und weiterhin stigmatisiert. Die inhaltliche Ausrichtung dieses Projekts trägt außerdem in großem Maß dazu bei, den Blick von allgemeingesellschaftlichen Problematiken abzuwenden, hin zu klassifizierbaren „problembehafteten Jugendlichen“, die somit praktisch ohne Zutun der Gesellschaft so krank geworden sind, wie sie sind.
Hilfe sollte m. E. in erster Linie Hilfesuchenden zu Gute kommen. Wenn psychologisches und sozialarbeiterisches Wissen derart offensichtlich zur Erfüllung neoliberalistischer Forderungen (hier: Senkung der Arbeitslosenrate) missbraucht wird, kann jedoch nicht länger von „Hilfe“ im Sinne von einer gesellschaftlichen Verpflichtung zum solidarischen Dasein für andere gesprochen werden. Polemisch ausgedrückt würden Projekte solcher Art den Namen „Trainingscamp zur individuellen Steigerung von Fähigkeiten zur Profitmaximierung der herrschenden Klasse“ verdienen.

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