Montag, 10. Juli 2017

Die zynische Vernunft und das Glück

Die zynische Vernunft und das Glück

Wie oft haben wir Sätze wie: “Lassen Sie uns doch vernünftig sein!“, oder „Sei doch vernünftig!“ schon gehört. Wie oft haben wir das zu uns selbst gesagt! Seit der Aufklärung erhebt der damit verbundene moderne Mensch die Vernunft zum Ziel unseres Denkens. „Vernünftige“ Entscheidungen sollen ja die besten sein, wird uns gelehrt. Rationales Verhalten in Reinkultur steht dabei herrschend an der Spitze unserer persönlichen Entwicklung. Auch was den Umgang mit Emotionen betrifft, ist unsere Anspruch auf Kontrolle gestiegen. Wir wiegen uns in Sicherheit, wenn wir vernünftige Entscheidungen getroffen haben. Diese zeigen uns den nüchternen Weg zum Ziel.
Die Neurowissenschaften zeigen nun seit mehreren Jahrzehnten, dass der Mensch nicht emotionsfrei leben kann. Wissen, das viele Kulturen und die damit verbundenen psychologischen Lehren längst haben. Der „Homo oeconomicus“, der „wirtschaftlich (vernünftig) denkende Mensch“ ist nun auch wissenschaftlich widerlegt. Trotzdem sehnen wir uns noch immer danach, „endlich vernünftig“ zu werden. Dennoch: wären wir tatsächlich vernünftig, würden wir uns zum Beispiel gar nicht verlieben. Wir investieren dabei ja in ein Projekt von dem uns Ökonomen sogar dringend abraten würden- das Risiko, zu viel vom „Investment“ zu verlieren ist sehr hoch! Die Evolution benötigt „Liebe“ ebenfalls nicht als Grundlage für das Weiterbestehen der Menschheit. Einfache Sexualität würde genügen. Und trotzdem verlieben wir uns gern. Und wir wissen: Emotionale Erlebnisse, wie die erste große Liebe oder die erste große Reise, bleiben für immer in unserem Gedächtnis. Wir schwelgen gern in diesen emotionalen Erfahrungen und auch wenn diese turbulent waren, möchten wir sie nicht missen. Sie prägen uns und sie geben uns Kraft und eben schöne Erinnerungen. Die schlechten Erfahrungen dienen uns als Lehrmeister für die Zukunft. Der Volksmund sagt: Entweder Du gewinnst, oder Du lernst.
Ich möchte die Vernunft hier keinesfalls zu stark kritisieren. In einer ausgeprägten Form neigt sie jedoch dazu, unsere Träume, unser Herz und unsere Emotionen zynisch zu kommentieren. Vor allem die hier schon beschriebenen Beratungsweltmeister versorgen uns geradezu übermäßig mit Zynismus wenn sie raten: „Das zahlt sich doch nicht aus!“ Übersetzt bedeutet das: Findest Du keinen (monetären) Gewinn, lass das Projekt sofort fallen. Tust Du das nicht, bist Du nicht „vernünftig“. Dem gegenüber stehen Lebensträume, die sich Menschen erfüllen, weil sie ihr Projekt trotzdem realisieren wollen. Diese Menschen bezahlen einen Preis. Aber: Nur Menschen mit ausreichend Geld und anderer Mittel, die den „Preis“ in Grenzen halten, gestehen die Beratungsweltmeister dies zu. Sonst niemandem.
Ein einfaches Konzept, dieses Vorgehen nach vernünftigen Kriterien. Doch was ist mit dem, was uns glücklich macht? Die Musik, die Kunst, das eigene Häuschen, die Kreuzfahrt, die sympathischen Arbeitskollegen? Ja, die würden sich demnach eben einfach nicht „auszahlen“. Die zynische Vernunft hat dafür einen eigenen Vorschlag: Häuschen und Kreuzfahrt in der Pension, auf Musik und Kunst verzichten und Job wechseln, wenn mehr am Gehaltszettel steht. So einfach geht das. Gottfried Benn sagte einmal: „Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück.“ Brutal zynisch.
Ignorieren wir unsere Herzenswünsche, um sie durch monetäre Zielformulierungen zu ersetzen, laufen wir Gefahr, unglücklich zu werden. Am Ende hing dann die Vernunft wie eine schwarze Decke über unserem Leben. Hat sich das dann ausgezahlt?

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